Profession: Spediteur
Spediteure haben einen ca. 4%-igen Anteil an der Wertschöpfung in der Bundesrepublik Deutschland. Das klingt wenig, zumal man doch oft das Gefühl hat, mindesten 40-50% der Benutzer der Autobahnen wären LKW.
Wertschöpfung in diesem Zusammenhang bedeutet aber -einfach gesagt- den Anteil des Verdienstes, den alle Spediteure gemeinsam erwirtschaften. Und das ist tatsächlich nicht sehr viel. (Denken Sie da bitte nicht nur an den LKW, sondern vergessen bitte auch nicht die Waren, die im Flugzeug, mit der Bahn oder dem Schiff transportiert werden.)
Und nun stellen Sie sich aber einmal vor, wo wir alle ohne die Spediteure wären!
Morgens hätten Sie keinen Joghurt auf dem Tisch und keine Zeitung vor der Nase, mittags würden Sie weder in Ihrem Lieblings-Restaurant etwas bekommen, noch Konserven in Ihrer Speisekammer finden. Davon abgesehen, könnten Sie gar nicht auf die Strasse wagen, weil auch in Ihrem Kleiderschrank gähnende Leere herrschen würde. Und zu Hause bleiben wäre auch kein Vergnügen: Möbel, Bücher, Küchen-Geräte und Musik-Anlage (auch Alexa oder Smartphone!), noch nicht mal das Klopapier wäre da!
Was macht ein Spediteur? Die frühere Definition im Handelsgesetzbuch (HGB) hat das meines Erachtens sehr gut beschrieben:
Spediteur ist, wer es gewerbsmäßig übernimmt, Versendungen . . . zu besorgen
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Also, der Transport (fast) jeder Ware, die Sie irgendwann bei sich zu Hause haben, wurde von Spediteuren organisiert. Dieser Berufsstand optimiert die Verkehrsströme, sucht den günstigsten Weg für Waren vom Rohstofflieferanten (z.B. in Afrika) über Produzenten der Halbfertigprodukte (beispielsweise in China), zum Hersteller, dann weiter über diverse Zwischenhändler bis zum Einzelhändler oder sogar ggf. mit dem Lieferdienst bis zu Ihnen in die Wohnung.
Sie können sich vorstellen, wie viele Zwischenschritte organisiert werden müssen, bis das aus afrikanischer Baumwolle in China gefertigte T-Shirt bei Ihnen im Laden um die Ecke liegt. Manche nennen den Spediteur auch den Architekten des Verkehrs!
Vielleicht denken Sie manchmal daran, wenn Sie auf der Autobahn am liebsten dem LKW-Fahrer "den Finger zeigen" würden oder sich ärgern, weil das Fahrzeug vom Courierdienst (oder auch von der Post) ein paar Minuten zu spät ist.
Wenn Sie mehr wissen wollen, .
Verladungen nach Übersee
Am interessantesten am Beruf des Spediteurs sind natürlich die nicht alltäglichen, sondern die "außergewöhnlichen" Aufträge.
Bereits kurz nach meiner Ausbildung -im Mai 1981- durfte ich eine Partie LKW-Chassis nach Chile verschiffen. Damals gab es in diese Relation noch keine Ro/Ro-Schiffe, also musste ich die Fahrzeuge auf einem konventionellen Frachter unterbringen.
Hierbei war darauf zu achten, dass bei Seegang die Fahrzeuge weder von den anderen im Schiff verstauten Waren beschädigt werden konnten, noch selbst andere Güter beschädigten. Auch an Oberdeck konnte die Verladung nicht erfolgen, man wollte ja in Chile keine vom Wind und Seewasser verrosteten Gerippe, sondern neue LKWs erhalten.
Übrigens: damals arbeitete man noch mit der Schreibmaschine und (im besten Fall) mit einen Vervielfältigungssystem namens Ormig, vielleicht kennen es die Älteren noch aus der Schulzeit.
Computer wurden in den meisten Speditionen erst Mitte bis Ende der 1980er Jahre eingeführt, also hieß es anstatt "Dokument speichern unter " damals: Aufstehen, einen Ordner aus dem Schrank holen, das Dokument lochen, abheften und den Ordner wieder zurück in den Schrank stellen. Das kann man sich heute kaum noch vorstellen!
Als wir dann Computer hatten, aber noch mittels Telex (die Sache mit den Lochstreifen) kommunizieren mussten, verlud ich eine Luftzerlegungsanlage von München nach Ulsan in Südkorea. Wegen der dünnen Außenhaut des 20 Meter langen Haupttanks mussten die Anschlagstroppen so weit gespreizt werden, dass der Tank nicht knickte. Leider gab es in Korea weder einen ausreichend langen "Spreader", noch einen zweiten Schwimmkran im Handelshafen. Zusammen mit den Partnern in Korea löste ich das Problem dennoch (Wie? - Das ist Spediteurs-Geheimnis!)
Auch eine interessante Aufgabe war die Demontage, Verpackung und Verschiffung einer Spanplatten-Fabrik nach Pakistan. Viele Teile konnten in Container verladen werden, einiges in Open Top oder auf Flats und Plattforms. Die leeren Container wurden als komplette Züge aus Hamburg per Bahn angeliefert, das Werk hatte zum Glück einen direkten Gleis-Anschluss. Und dennoch musste ein erheblicher Teil der Maschinen konventionell d.h. weitestgehend unverpackt auf die Reise gehen.
Ein Händler von Pall- und Sicherungsmaterial, der ursprünglich keine Lust gehabt hatte von Schwerin nach Ribnitz-Dammgarten, quasi "in die Walachei", zu kommen, küsste mir später fast die Füße als Dank für die (wahrscheinlich) Verdoppelung seines Jahresumsatzes.
Da ein Transport der Waren (mit den teilweise erheblichen Übermaßen) nach Hamburg sehr aufwendig (und damit zu teuer) geworden wäre, holte ich das Seeschiff nach Rostock, bereit, die hierfür zusätzlich anfallenden Kanalgebühren zu übernehmen. Durch diesen "Trick" konnte ich die ALLE Mitbewerber ausstechen, auch die größten und renomiertesten!
Vorher musste allerdings teilweise die Hafen-Infrastruktur in Rostock wieder reaktiviert werden: Der einzige Vancarrier wurde entrostet und gangbar gemacht, Container-Spreader mussten gesucht und aufgearbeitet werden.
Auch die kurze Strecke vom Werksstandort in den Hafen von Rostock musste für viele Teile unter Polizeibegleitung erfolgen, Ampeln und Schilderbrücken mussten umfahren oder abgebaut werden. Um Kosten zu sparen, suchten -und fanden- wir eine Streckenführung, bei der keine größeren baulichen Maßnahmen ergriffen werden mussten.
Nach Monaten intensiver Planung, Koordination, Schweiß und auch ein paar Tränen war es dann soweit, Stückgut und Container wurden an Bord verstaut, es passte auch alles hinein (was u.a. den "Supercargo" und den beiden Hafen-Gangs zu verdanken war) und das Schiff lief aus.
An dieser Verladung erkennen Sie vielleicht, liebe Leser, dass jede Art Arbeit immer von einer Vielzahl Menschen erledigt wird. Menschen, die nur dann ein gutes Ergebnis erzielen, wenn sie kooperativ und fair zusammen arbeiten und wenn sie das Gefühl haben, dass ihr Anteil an der Arbeit geschätzt und gewürdigt wird. Und das hat auch etwas mit dem Thema Bezahlung zu tun.
Hobby und Beruf brachte ich bei der Verladung eine Rennyacht nach Australien eng zusammen. Noch jahrelang stand ich mit dem Skipper der Yacht in E-Mail-Kontakt, leider hat sich jedoch nie die Gelegenheit zu einem Turn ergeben. Schade.
Hier habe ich natürlich nur einige Highlights erwähnt, (ausgesucht auch deshalb, weil ich von anderen Verladungen keine Fotos besitze), habe nicht die vielen administrativen Hürden, bankseitigen Stolpersteine und restriktiven Importbestimmungen erwähnt, hoffe aber dennoch, Sie haben damit einen kleinen Einblick gewonnen in die Arbeit eines Seehafen-Spediteurs. Auch heute noch bin ich gerne (beratend) tätig, schreiben Sie mir in diesem Fall gerne eine E-Mail an .